Interessierte Lesende meines Blogs erinnern sich vielleicht noch an meinen Artikel „Klugscheißer mag Keiner“ vom 13. Mai 2023. In diesem berichtete ich davon, dass ich als solcher angesehen wurde, weil ich von meinem Recht als Bürger Gebrauch machte, auf rechtliche Fehler von Bürgermeister Johanssen im Rahmen der 20. Sitzung der alten Gemeindevertretung hinzuweisen.
Noch kurz zur Story
Am 8. Mai 2023 fand die 20. Sitzung der damaligen Gemeindevertretung statt. Bürgermeister Johanssen beantragte die Erweiterung der Tagesordnung um zwei Punkte, um entsprechende Beschlüsse fassen zu können. Die damalige Gemeindevertretung stimmte zu und im Rahmen der Sitzung wurden dann auch Beschlüsse durch die Gemeindevertretung gefasst.
Am 9. Mai 2023 schrieb ich das Amt mit der Bitte an, dieses m.E. fehlerhafte Handeln des Bürgermeisters rechtlich zu würdigen, da ich starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit hatte.
Auch schon am 9. Mai 2023 wurde vom Amt bestätigt, dass meine Rechtsauffassung richtig sei und der Bürgermeister hierzu in Kenntnis gesetzt wurde. Auf den Punkt gebracht war die von mir konkret beanstandete Beschlussfassung zu TOP 6.6 tatsächlich rechtlich nicht zulässig, das entsprechende Thema (Mittagessen der Betreuten Grundschule) muss erneut von der Gemeindevertretung befasst werden. Der Bürgermeister wurde vom Amt darauf hingewiesen, dass der Beschluss der Gemeindevertretung zu TOP 6.6 das Recht verletzt hat und er hiergegen gemäß § 43 Gemeindeordnung Widerspruch einzulegen hat. Solch ein Widerspruch hat eine aufschiebende Wirkung und hemmt die Umsetzung des Beschlusses bis er in der nächsten Sitzung erneut beraten wurde.
Und jetzt wird es spannend
In der weiteren Folge passierten Fehler über Fehler, die letztlich dafür sorgen, dass der rechtlich fehlerhaft befasste TOP 6.6 doch formal rechtlich bestehen bleiben muss.
Für den politisch interessierten Leser von Sitzungsniederschriften und anderen Quellen muss sich zwangsläufig die Frage ergeben, was da denn los ist.
Am 11. Mai 2023 reichte Bürgermeister Johanssen und somit fristgerecht einen Widerspruch ein. Er richtete den Widerspruch aber irrtümlicherweise an die gesamte Gemeindevertretung und nicht an die damalige 1.stv. Bürgermeisterin Claudia von Dohlen. Besonders schlimm aber war der folgende Fehler. Er widersprach nicht dem TOP 6.6 (wogegen meine Beschwerde gerichtet war – Mittagsverpflegung Betreute Grundschule), sondern fälschlicherweise TOP 3 (Genehmigung der Tagesordnung). Das ist keinem der damaligen Gemeindevertreter bzw. dem Amt aufgefallen.
Den Widerspruch des Bürgermeisters bekam ich als Bürger nicht zu lesen.
In der Konstituierenden Sitzung der neu gewählten Gemeindevertretung am 7. Juni 2023 wurde unter TOP 19 die Niederschrift dieser letzten 20. Sitzung der alten Gemeindevertretung vom 8. Mai 2023 durch die damaligen Gemeindevertreter genehmigt. Und auch nur diese hatten die Niederschrift zu dieser Sitzung vom Amt erhalten. Ich als neu gewählter Gemeindevertreter hatte diese nicht vorliegen und enthielt mich bei der Abstimmung entsprechend.
Etwa zwei Wochen später befand sich die durch die Gemeindevertretung freigegebene Niederschrift für die 20. Sitzung der Gemeindevertretung vom 8. Mai 2023 öffentlich abrufbar im Sitzungsinformationssystem des Amtes Preetz-Land. In dieser Niederschrift befand sich weiterhin der TOP 6.6, inklusive Beschlussfassung. Mein Erstaunen darüber kann sicherlich jeder nachvollziehen. War dieser doch genau der fehlerhafte TOP.
Ich bat daher am 21.06.2023 die Kommunalaufsicht des Kreises um rechtliche Bewertung und erhielt folgendes zur Antwort:
„Der Niederschrift über die Sitzung der Gemeindevertretung der Gemeinde Schellhorn vom 8. Mai 2023 kann ich entnehmen, dass unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 einstimmig beschlossen wurde, die Tagesordnung um den TOP „Weiteres Vorgehen mit Betreuter Schule/Mensa“ zu erweitern und als TOP 6.6 aufzunehmen. Hierbei handelte es sich nicht um einen Sachantrag, sondern um einen Antrag, der sich mit der Tagesordnung beschäftigt, mithin einen Geschäftsordnungsantrag. Gegen diesen Beschluss richtete sich der Widerspruch des Bürgermeisters vom 11. Mai 2023. Dies war aber gar nicht möglich, denn die Entscheidung über einen Dringlichkeitsantrag kann nicht aufgehoben oder geändert werden. Der Beschluss wurde ja bereits am 08. Mai 2023 ausgeführt. Vielmehr hätte sich der Widerspruch gegen den unter TOP 6.6 gefassten Beschluss in der Sache richten müssen, weil dieser fehlerhaft zustande gekommen ist. Ein Widerspruch nach § 43 Gemeindeordnung (GO) gegen die am 08. Mai 2023 getroffene Entscheidung ist aber nicht mehr möglich, da die Widerspruchfrist von zwei Wochen bereits abgelaufen ist.“
Auch vom Leitenden Verwaltungsbeamten Herrn Krebs erhielt ich am 26. Juni zu der Sachlage noch folgende ergänzende Informationen:
„Ziel der Niederschrift ist es, den Ablauf von Sitzungen und die gefassten Beschlüsse zu dokumentieren und später nachvollziehbar zu machen. Begrifflich verlangt eine Niederschrift, dass ein Dokument in schriftlicher Form verfasst wird, das den in Absatz 1 geschilderten Mindestinhalt aufweist.
§ 41 Niederschrift / Gemeindeordnung SH
(1) Über jede Sitzung der Gemeindevertretung ist eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift muss mindestens
1.die Zeit und den Ort der Sitzung,
2.die Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
3.die Tagesordnung,
4.den Wortlaut der Anträge und Beschlüsse und
5.das Ergebnis der Abstimmungen enthalten.
Die Niederschrift muss von der oder dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung und der Protokollführerin oder dem Protokollführer unterzeichnet werden. Sie soll innerhalb von 30 Tagen, spätestens zur nächsten Sitzung, vorliegen.
(2) Über Einwendungen gegen die Niederschrift entscheidet die Gemeindevertretung.
Die Niederschrift hat die Bedeutung eines Beweismittels (§§ 415 ff. ZPO). Sie dokumentiert, dass die formalen Voraussetzungen für das Zustandekommen der Sitzung und für die Beschlussfassung erfüllt waren und welches Ergebnis die Beratungen hatten. Die Niederschrift hat keine rechtsbegründende Wirkung, sodass Beschlüsse nicht erst durch Aufnahme in die Niederschrift wirksam werden. Gleichwohl ist sie eine öffentliche Urkunde, der nach Kenntnisnahme durch die Gemeindevertretung besondere Beweiskraft zukommt. Das bezieht sich auf den Inhalt der Niederschrift zu Absatz 1 Nr. 1 bis 5, nicht dagegen auf Erklärungen einzelner Gemeindev., die nicht im Wortlaut, sondern zusammengefasst wiedergegeben werden (VGH BW, VBlBW 1990 S. 186. Wird eine Niederschrift nicht angefertigt oder weist diese Rechtsmängel auf, indem sie Mindestbestandteile nicht enthält, so berührt dies die Gültigkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse nicht. Der Beschluss kommt vielmehr wirksam mit der Abstimmung zustande (BGH, DVBl 1956 S. 236; BayObLG, NVwZ 1992 S. 606). Wird die Richtigkeit des Inhalts einer Niederschrift, die eine öffentliche Urkunde ist, bestritten, so trifft die betreffende Person die Beweislast (BGH, DÖV 1962 S. 433), wobei der Beweis für den Ablauf der Sitzung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geführt werden kann (OVG Lüneburg, die Gemeinde 1981 S. 360).„
Das bedeutet, dass durch den fehlerhaften Widerspruch von Bürgermeister Johanssen gegen TOP 3 und nicht gegen TOP 6.6 sowie durch die Genehmigung der Niederschrift der 20. Sitzung durch die ehemaligen Mitglieder der Gemeindevertretung Fakten geschaffen wurden, die aus dem anfangs festgestellten fehlerhaft befassten TOP 6.6 eine rechtlich formal saubere Aufnahme des TOP 6.6 sowie Beschlussfassung nach sich zogen. Durch den Fristablauf nach 14 Tagen kann mittlerweile auch nicht mehr rechtlich gegen den Fehler von Bürgermeister Johanssen am 8. Mai 2023 vorgegangen werden.
Ich bat Bürgermeister Johanssen schriftlich darum, im Rahmen der 2. Sitzung der Gemeindevertretung Schellhorn am 29.06.2023 eine öffentliche Erklärung / Klarstellung durch ihn zu dieser Gemengelage an Verwaltungsfehlern abzugeben, da dies ja kein normaler Mensch mehr durchblicken, respektive verstehen kann.
Aber so ist es mit Erwartungshaltungen. Es kam natürlich nicht zur Sprache…